Ein bisschen Südtiroler Weingeschichte und zwei Einstiegsweine aus Terlan, die es in sich haben.
Wer wie ich in Württemberg aufgewachsen ist, der klatscht nicht gerade vor Begeisterung in die Hände, wenn die Sprache auf Weine von Genossenschaften kommt. Zwar ändert sich in meiner alten Heimat gerade vieles, vorgemacht haben das aber die Südtiroler. Dort bewirtschaften die Mitglieder der Genossenschaften rund zwei Drittel der insgesamt 5.000 Hektar Rebfläche und keltern seit vielen Jahren fantastische Weine. Wein aus Südtirol heißt also oft Wein von einer Genossenschaft
Etwa die Kellerei Bozen. Die räumen seit Jahren mit ihrem Vernatsch beim Vernatsch Cup Preise ab. Von diesem Wein machen sie rund 700.000 Flaschen – insgesamt werden in Südtirol 1.4 Millionen Pullen Vernatsch abgefüllt. Dass ein Wein, der in so einer Menge gekeltert wird, immer wieder auch Fachleute begeistert, ist nicht alltäglich.
Wein aus Südtirol – Genuss in weiß
Meine Lieblingsgenossenschaft ist aber Terlan. Nicht weil sie immer und unbedingt besser ist als andere (wenn auch sehr oft). Aber es hängen Erinnerungen dran. Vor einigen Jahren, als ich gerade begann, mich für Wein zu interessieren, waren wir einige Tage in Südtirol. Und wie man es eben so macht, wenn man am Anfang steht, wir hatten uns durch die offenen Weine sämtlicher Hütten und Buschenschänken getrunken, in denen wir waren. In Südtirol ist das schon sehr gut, was man da eingeschenkt bekommt.
Auf dem Nachhauseweg führte uns der Weg durch Terlan. Und weil wir irgendwo von der Genossenschaft gelesen hatten, traten wir in den Verkostungsraum und baten schüchtern um ein Glas. Wir probierten Wein um Wein, schauten uns mit immer größerer Begeisterung an und überlegten, wie viel Platz noch im Auto war. Denn diese Weine waren doch etwas ganz anderes als die der vergangenen Tage.
Terlan – meine liebste Genossenschaft
Warum ich Terlan seit damals treu geblieben bin, ist aber nicht nur die Erinnerung. Sondern dass ich bei dieser Genossenschaft vom Einstiegs– bis hin zum Topwein, der irgendwas dreistelliges kostet, noch nie etwas im Glas hatte, das ich nicht austrinken mochte. Ganz besonders gilt das für den Weißburgunder. Ohnehin ist das eine Rebsorte, die in Südtirol in vielen Fällen besser wird als irgendwo sonst auf der Welt. Die besten Weine aus Südtirol sind öfter weiß als rot.
Das mussten die Winzer aber schmerzhaft lernen. Denn noch in den 1980er Jahren stand in den Weinbergen Vernatsch, Vernatsch und wenn dann noch Platz war ein bisschen Vernatsch. Insgesamt belegte die Rebsorte rund 70 Prozent der Fläche. Und daraus wurden keineswegs so tolle Weine gekeltert wie heutzutage oft. Vernatsch war einst billiger Massenwein und Grundnahrungsmittel der armen Bauern, die Südtirol lange Zeit prägten. Was sie nicht selber tranken, ging meist als Fasswein in die Schweiz. Wein aus Südtirol brachte damals kaum einer mit Qualität zusammen. Aber dieser Markt brach in den 1980er Jahren fast über Nacht zusammen. Auf der einen Seite wurden die Kunden anspruchsvoller. Auf der anderen hatten die Winzer die Schraube Qualität zugunsten der Menge ein paar Umdrehungen zu weit nach unten gedreht.
Weißburgunder statt Vernatsch
Heutzutage steht der Vernatsch auf gerade mal noch 16 Prozent der Rebfläche, Tendenz weiter fallend. Aus dem, was noch übrig ist, keltern die Winzer und Genossenschaften allerdings oft exzellente Weine. Meist sind sie dezent im Alkohol, frisch und fruchtbetont, dabei aber getragen von feiner Würze und durchzogen von einem straffen Säurenerv.
Keine andere Weinbauregion der Welt hat sich in derart kurzer Zeit so rasant gewandelt, weg vom roten billigen Massenwein, hin zu weißen Weltklassetropfen. Die Winzer erkannten, dass besonders der Weißburgunder in ihrer Gegend außergewöhnliche Weine ergeben kann. So wandelten sich die Weinberge in kurzer Zeit rasant. Und im gleichen Maß, wie der Anbau des Vernatsch zurück ging, stieg Südtirols Renommee in der Weinwelt. Keine andere italienische Weinbauregion erhält im Vergleich zur Anbaufläche so viele Auszeichnungen im wichtigstem Weinführer des Landes, dem Gambero Rosso. Längst kosten die teuersten Weißweine der kleinen Region dreistellige Beträge. Südtirol ist eben schick geworden und keine Gegend mehr, in der arme Bergbauern ihr Dasein fristen.
Einstiegsweine der Spitzenklasse
Nun hatte ich inzwischen das Vergnügen, fast alles, was die Genossenschaft in Flaschen füllt, mal probieren zu können. Auch die teuren und exklusiven Sachen. Aber mal ehrlich: Für den Normalgebrauch zuhause ist das nichts. Deshalb freute es mich sehr, als letztens ein Paket mit Wein aus Südtirol, genauer gesagt zwei Flaschen der Einstiegslinie von Terlan, den Weg zu mir nach Hause fanden. Dazu eine handgeschriebene Notiz der PR-Agentur: „Die Traditions-Linie der Kellerei zeigt, dass Terlan auch einfach mal so geht. Viel Spaß damit! Wir freuen uns auf ein Feedback Ihrerseits.“
Weil ich beide Weine für außerordentlich gelungen halte und beide für gute zehn Euro ein echter Schnapper sind, kommt das hier nun:
Der Weißburgunder ist mit dem Jahrgang 2017 noch kein Methusalem. Aber die Frucht ist deutlich zurückgegangen, cremig gleitet der Wein durch den Mund, hüllt die Zunge in schmelzig-weiche Aromen von hellen Nüssen, etwas Honig und einen letzten Rest von Weinbergspfirsich. Ist ein herausragender Begleiter zu hellem Fleisch oder kräftigen Fischen.
Der Chardonnay stammt aus dem Jahr 2015, hat also schon etwas ergrauteres Haar als der Weißburgunder. In der Nase ist er recht dezent, am Gaumen zunächst auch zurückhaltend. Gibt man dem Kerl etwas Luft, macht er richtig Spaß. Da ist die Würze von frischen Kräutern, ein weiches, samtiges Mundgefühl, eine tolle Länge…die erste Hälfte habe ich getrunken zu einer Brotzeit mit mittelalten Hartkäsen und den Rest zu einer Pasta mit Mangold, Kichererbsen und gerösteten Stücken vom Räuchertofu. Herausragend.
Ihr wollt Brot für Eure Brotzeit selber backen? Hier habe ich aufgeschrieben, wie das geht…
Hallo Herr Hamminger,
Ein toller Bericht über eine besondere Region.
Verkosten Sie einmal die Weine von Kaltern! Nach der Zusammenführung der bei aus Kaltern ist das Sortiment klar und die Qualität aussergewöhnlich.
Hallo Herr Knickenberg,
vielen Dank für das Lob. Sie haben mit Kaltern absolut Recht. Aber ich sollte die Weine von dort unbedingt mal wieder probieren. Oft bleibe ich bei meinen Reisen irgendwo im Eisacktal hängen…