Champagner: „Unfassbar gut zum Essen“

Das Getränk der Könige – Interview mit einem der besten Champagner-Kenner Deutschlands.

Bernhard, warum gilt Champagner als das edelste aller Getränke?

Champagner war einmal das Getränk der französischen Könige. Aber das ist mehr oder weniger Zufall. Denn Frankreich krönte seine Könige in der Kathedrale von Reims, und Reims liegt mitten in der Champagne. Übrigens war Champagner damals ein stiller und recht säurebetonter Rotwein. Das mit dem Schaumwein ging erst ab etwa 1850 los.

 

Und wegen dieser Königsgeschichte kostet Champagner heute noch immer so viel mehr als anderer Wein?

Nicht nur. Denn damals hatte man die Sache mit der Gärung noch nicht so recht verstanden und die Flaschen waren nicht so stabil wie heute. Den Kellermeistern sind zwei von drei Flaschen um die Ohren geflogen. Das war ein gefährlicher Beruf.

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Bernhard Meßmer weiß fast alles über Champagner und gibt dieses Wissen in spannenden Seminaren weiter.

Zum Glück ist das heute anders…

Ja, aber das Image und der Preis sind geblieben.

Die besten Champagner stehen nicht im Supermarkt

Die meisten Menschen kaufen ihren Wein beim Discounter oder im Supermarkt, auch Champagner. Dort stehen immer die gleichen Marken. Warum ist das so?
In der Champagne wird zwischen großen Häusern, das sind die aus dem Supermarkt, und Winzerchampagnern unterschieden. Die Häuser haben wenige oder keine eigenen Weinberge und kaufen die Trauben ein. Meist kommen die aus der gesamten Champagne. Sie keltern mindestens eine halbe Million Flaschen pro Jahr. Die größten sind Moët & Chandon. Allein von ihrem Brut Imperial machen sie 20 Millionen Flaschen. Und das Jahr für Jahr.

Klingt ehrlich gesagt nach nach Massenprodukt…
So einfach ist es nicht. Die großen Häuser stehen jedes Jahr vor der Herausforderung, viele Flaschen mit gleichbleibender, guter Qualität zu produzieren. Individuelle Champagner oder die Weltspitze findet man aber woanders.

Der Wein wird immer individueller

Also bei den Winzerchampagnern?
Nicht zwangsläufig. Jedes Haus keltert eine so genannte Préstige Cuvée. Die kosten meist ab 80 Euro aufwärts, die Qualitäten sind da aber sehr unterschiedlich. Winzerchampagner ist nicht zwangsläufig besser. Es ist das gleiche wie beim Stillwein: Es kommt auf den Winzer an und darauf, wie er mit seinen Böden und den Trauben umgeht. Allerdings versuchen die kleinen mehr das Terroir herauszuarbeiten und sind somit individueller.

Wenn die Trauben aus der ganzen Champagne kommen, finde ich Terroir bei den großen Häusern natürlich weniger.
Genau. Aber das ist auch nicht ihr Ziel. Sie wollen Ausgewogenheit, Balance und Komplexität, nicht Individualität. In ihren Champagnern sind zum Teil über 100 unterschiedliche Einzelweine.

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Champagner – weit mehr als nur ein Aperitif.

Wie sieht so ein kleines Champagner-Weingut denn aus?
Die Weinberge gehören meist schon lange einer Familie. Zu wachsen, ist extrem schwierig. Die Weinberge in der Champagne sind extrem teuer. Verkauft wird nur sehr selten und wenn, dann schnappen sich das die großen Häuser, weil die das meiste Geld haben. Die Weingüter sind also eher klein, auf eine Region beschränkt und damit ein Ausdruck dieser Gegend.

Was bedeutet das für die Weine?
Verzenay zum Beispiel befindet sich recht weit im Norden. Die Weinberge sind nach Norden und Osten ausgerichtet und liegen in einer Talsohle. Das bedeutet, die Trauben kriegen nicht so viel Sonne ab und das lässt die Champagner am Ende schlank und frisch werden. Ambonnay hingegen liegt etwa 20 Kilometer weiter im Süden. Dort bauen die Winzer viel Pinot an. Die Hänge blicken gen Westen und Süden, die Sonne scheint viel. So werden die Trauben ohne Probleme reif und die Champagner sind kräftig und intensiv mit einer tollen Struktur.

Genuss und Champagner gehören zusammen

Auf diese Unterschiede legen die Winzer Wert?
Sie wollen den individuellen Charakter eines Weinbergs in ihren Champagnern ausdrücken. Das ist selbstverständlich das genaue Gegenteil dessen, was die großen Häuser mit ihren großen Produktionen machen. Das heißt für mich aber nicht, dass das eine besser ist als das andere. Laurent-Perrier, Moët & Chandon oder Veuve Cliquot machen teilweise sehr gute Sachen.

Das mit den individuellen Champagnern klingt sehr modern. Regionalität ist doch gerade überall das große Ding.
In der Champagne ist das recht neu, Tradition hat das keine. Es ist noch keine 20 Jahre her, da gab es vielleicht fünf Champagner aus Einzellagen. Derzeit sind es zwischen dreihundert und vierhundert. Sogar die Häuser haben damit angefangen, weil sie diesen Trend erkannt haben.

Wenn also eine Lage auf der Flasche steht, heißt das für mich als Kunden, ich habe einen guten Champagner vor mir?
Nicht automatisch. Nicht jede Einzellage eignet sich dafür, separat ausgebaut zu werden. Außerdem muss ich bedenken, dass wenn ein Winzer aus den Trauben seiner besten Weinberge eigene Champagner macht, dann sind diese Weine nicht mehr in der Basiscuvée – also dem Einstiegswein des Weinguts. Was geschieht also mit dessen Qualität?

Kann ich als Kunde einen Winzerchampagner erkennen?
Auf den Etiketten stehen Kürzel. Merken sollte man sich NM für Négociant manipulant (Handelshaus) und RM Récoltant manipulant (kleiner Winzerbetrieb).

Mal Champagner zum Essen wagen

Zu welchen Gelegenheiten passt Champagner eigentlich?
In Deutschland trinken wir Champagner nur, wenn es etwas zu feiern gibt oder vorneweg als Aperitif. Dabei hat kaum einer auf dem Schirm, wie unfassbar gut er zum Essen passen kann.

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Weinberge so weit das Auge reicht: Blick über die Champagne.

Warum ist Champagner als Essensbegleiter eine gute Idee?
Champagner hat viel Säure und das harmoniert wunderbar mit Fett und Salz. Beides spielt in vielen Gerichten eine bedeutende Rolle.

Worauf muss ich bei der Kombination noch achten?
Intensität von Essen und Champagner müssen aufeinander abgestimmt sein. So geht ein leichter Blanc de Blancs gut zu hellem Fisch oder Sushi, das ist ein Klassiker. Vorhin habe ich über die Pinot-Champagner aus Ambonnay gesprochen. Die haben sogar genug Kraft, um ein gegrilltes Stück Rind zu begleiten. Von Fisch über Kalb und Rind bis Dessert geht mit dem richtigen Champagner alles.

Wie oft im Jahr bist Du in der Champagne?
Drei bis vier Mal. Das klingt jetzt ein bisschen komisch, aber die Champagne ist hier noch weitgehend unentdeckt. Es gibt dort noch echte Geheimtipps. Zudem tut sich derzeit enorm viel. Ich würde sagen, die Region ist im Aufbruch in eine neue, spannende Zeit.

Dass Du hierzulande einer der besten Kenner des Champagner bist, hast Du ja sogar schriftlich.
Im Jahr 2016 war ich offizieller Champagnerbotschafter.

Champagner kaufen – online oder im Fachhandel

Was bedeutet der Titel und wie hast Du ihn bekommen?
Meine Faszination für Champagner hat vor etwa zehn Jahren begonnen. Damals habe ich gemerkt, was für eine Länge und Spannung gut gemachter Champagner haben kann. Seitdem ist er für mich einer der größten und interessantesten Weine der Welt. Weil meine Begeisterung – und damit auch mein Wissen – immer größer wurden, habe ich bei diesem Wettbewerb mitgemacht und gewonnen. Und das gegen richtig starke Konkurrenz, das hat mich sehr gefreut und stolz gemacht.

Du gibst nicht nur Seminare zum Thema Champagner, Du hast auch deutschlandweit eines der feinsten Sortimente. Aber wenn ich nicht zu Dir kommen kann, worauf muss ich beim Einkauf achten?
Auf einfachweinkaufen.de findet man unseren Onlineshop. Ansonsten gilt: Champagnerkauf ist Vertrauenssache. Eine gute Flasche kostet ab 20 Euro aufwärts und da will niemand enttäuscht werden. Da Champagner noch empfindlicher als Stillwein ist, sollte man unbedingt darauf achten, wie der Händler seine Weine lagert. Sind die Flaschen staubig? Ist der Raum klimatisiert? Stehen die Champagner in hellem Licht? Das sind so die ersten wichtigen Punkte. Wenn die passen und da noch mehr Winzer vertreten sind als die üblichen Verdächtigen, dann könnte das was sein. Dann muss natürlich noch die Beratung gut sein.

Darf’s auch mal ein Sekt sein?

Deine Meinung zu deutschem Winzersekt?
Es muss selbst für mich nicht immer Champagner sein. Es gibt in Deutschland und in vielen anderen Gegenden inzwischen herausragend gute Schaumweine. Champagner sind in der Regel aber säurebetonter und schlanker. Außerdem wachsen die Reben auf Kalkboden, das bringt enormen Druck auf die Zunge. In anderen Schaumweinregionen ist es meist wärmer, die Weine haben mehr Aromen von tropischen und reifen Früchten. Das eine ist nicht besser als das andere. Aber Champagner ist einfach besonders, wiedererkennbar und anders als der Rest. Und er wird immer mein Favorit bleiben.

Bernhard Meßmer betreibt in München die bekannte Genuss-Schule „einfach geniessen“. Dort gibt es neben Seminaren zu den Themen Wein, Whisky, Gin, Rum und Cognac zahlreiche verschiedene Champagnerseminare. In der aktuellen Corona-Krise hat Meßmer zudem spannende Angebote für Zuhause.