Der junge Winzer Christian Bernhardt ist ein großes Talent in der Pfalz. Dabei war der Start seines eigenen Weinguts alles andere als einfach. Aber gerade deshalb ist sein Sortiment mutiger als viele andere.

Als Christian beschließt, Winzer zu werden, hat er nicht einen einzigen Kunden. Für den 31-Jährigen war das Bürde und Chance zugleich. „Ich konnte alles von Anfang an so machen, wie ich wollte“, sagt er. Es gab schließlich keine Stammkunden, die ihren halbtrockenen Riesling in der Literflasche so haben wollten, wie seit 20 Jahren. Aber an wen sollte der Wein verkauft werden? Diese Entscheidung nahm ihm das Leben ab.

Christian bringt einen alten Weinberg, den er vor kurzem übernommen hat, wieder in Form.

Aber der Reihe nach. Christians erste Weinberge waren schon lange im Besitz der Familie. Ernsthaften Weinbau, also mit eigener Flaschenvermarktung, spielte aber nie eine Rolle. „Mein Vater arbeitete in der Verwaltung eines Krankenhauses und hat dort sehr gut verdient“, sagt Christian. „Der Weinbau war sein Hobby. Aber er interessierte sich eher dafür, mit dem Schlepper durch die Weinberge zu fahren, als Wein zu machen.“ So wurden jahrelang Fasswein und Trauben verkauft.

Das eigene Weingut

Winzer zu werden, kam für Christian während seiner Jugend nie in Frage. Was er aber stattdessen tun wollte, wusste er auch nicht. So machte er nach seinem Abitur im Jahr 2009 erstmal ein freiwilliges soziales Jahr in einer Behindertenwerkstatt. Da merkte er, wie sehr ihm die Arbeit unter freiem Himmel fehlte. Und nur wenige Tage vor dem Bewerbungsschluss am Weincampus in Neustadt schrieb er sich dort für Weinbau und Önologie ein. Die Eltern waren überrascht. „Sie haben mir nie das Gefühl gegeben, dass sie von mir erwarten, dass ich das mit dem Wein weiter mache“, sagt er.

Aber noch bevor Christian sein Studium beenden, geschweige denn sich richtig Gedanken über sein eigenes Weingut mache konnte, starb im Jahr 2012 völlig unerwartet sein Vater. Christian war mitten im Studium, an einen geordneten Start seines Betriebes war nun nicht mehr zu denken. Er arbeitete in seinem Ausbildungsbetrieb, „im Herbst oft bis ein, zwei Uhr nachts“, sagt er. Nebenbei schaffte er es irgendwie, die eigenen Reben nicht völlig zu vernachlässigen und am Ende Trauben verkaufen zu können. Für welche Kunden er welchen Wein keltern könnte, für diese Gedanken war gar keine Zeit.

Riesling? Raus damit!

Trotzdem füllte er nebenbei Jahr für Jahr ein bisschen was selber ab. „Angefangen habe ich mit Rotwein“, sagt er. Aus einem ganz pragmatischen Grund: In diesen Jahren fehlte ihm die Zeit, sich intensiv um den Verkauf seiner Weine zu kümmern. Und ein Rotwein mit Substanz reift problemlos zwei oder drei Jahre im Holz und in der Flasche. Außerdem schätzen Kunden bei Roten ein bisschen Reife durchaus. Dazu stellte Christian die Weichen in Richtung Zukunft. In seinen Weinbergen stand viel Riesling, aber der fühlt sich auf den sandigen Böden rund um Ellerstadt nicht optimal wohl. Deshalb riss er viel davon raus und pflanzte stattdessen rote Sorten. In den Jahren 2012 und 2013 erneuerte er dreieinhalb von seinen damals sechs Hektar. Das war eine große und mutige Investition, aber Christian hatte einen Plan. „Wennn ich das damals nicht radikal gemacht hätte, dann hätte ich außer dem Riesling wohl heute noch viel Portugieser und Dornfelder in den Weinbergen stehen“, sagt er. Cabernet Sauvignon oder Merlot haben nicht nur mehr Potential für hochwertige Weine. Mit diesen Sorten fühlt der Jungwinzer mit dem Irokesenschnitt sich auch besser für die Zeit des Klimawandels gerüstet.

Spannende Cuvées

Von Anfang an kelterte er viele Cuvées. Damals war das aus der Not geboren, heute ist daraus fast so etwas wie ein Markenzeichen geworden. In den ersten Jahren hatte er von einzelnen Sorten oft nur so wenig, dass sich ein eigener Wein nicht gelohnt hätte. Nun sind Cuvées hierzulande nicht so verbreitet wie sortenreine Weine – aber das kümmert Christian nicht. Wie ihn überhaupt die Meinung der Masse recht wenig interessiert. Seine Weine sind eher nicht für den schnellen Schoppen gemacht. Das sind Langstreckenläufer, keine Sprinter. Auch das war zu Beginn eher den Umständen geschuldet. „Als ich mit dem Vertrieb angefangen habe, waren die Weine nicht alle nach einem halben Jahr weg. Also musste ich sie so machen, dass ich sie auch später noch guten Gewissens verkaufen kann.“

Rotweine mit Kraft, Struktur und Musik

Das bedeutet für ihn vor allem weglassen. Die Rotweine zum Beispiel. Die laufen direkt von der Korbpresse ins Fass und fertig. Schwefel verdammt Christian nicht. Er nimmt ihn aber nur, wenn es nötig ist – er sucht da derzeit noch seinen Weg. Wir probieren in seinem Keller aus zwei Fässern Pinot Noir, Jahrgang 2018. Eines ist ungeschwefelt, eines hat eine leichte Dosis bekommen. Und selbst diese kleine Schwefelmenge verleiht dem Wein im Mund so etwas wie Leitplanken. Der andere hingegen geht sofort auf, ist feiner und länger. „Ich nehme mir die Freiheit, die Dinge so zu machen, wie ich sie für richtig halte“, sagt Christian. „Wer meine Weine probiert, der muss durch meine Gedanken hindurch.“

„Es geht um Gefühle“

Seine Gedanken haben auf jeden Fall viel mit Musik zu tun. In seinem Arbeitszimmer im Weingut steht eine elektrische Gitarre in der Ecke, Christian spielte mal in einer Band. Alle Namen seiner Weine haben etwas mit Musik zu tun, von den Einstiegsweinen „My white wine makes you wanna dance“ und „My red wine will rock you“ über die Rotweincuvée „Nothing else matters“, hin zum reinsortigen Pinot Noir „The sound of silence“. Musik und Wein haben für ihn eines gemeinsam: „Was man empfindet, wenn man Musik hört oder Wein trinkt, lässt sich oft schwer in Worte fassen. Es geht mehr um Gefühle“, sagt er. So beschreiben die Songtitel, die auf seinen Etiketten stehen, den Inhalt tatsächlich sehr treffend. Wie zum Beispiel der Rosé „Here somes the sun“ so ist, bedarf keiner weiteren Erklärung.

HIER geht es zum zweiten Teil meines Porträts

https://www.weingut-bernhardt.de/

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