Fermentierte Lebensmittel: so geht’s

Supereinfach, superlecker. Fermentieren ist ein bisschen wie Kochen für Doofe…

Beim Fermentieren werden Lebensmittel komplett verwandelt. In vielen Fällen machen Mikroben sie durch ihre Arbeit überhaupt erst essbar. Das geschieht, indem sie diese sozusagen vorverdauen. Die gängigste und zuhause am einfachsten zu machende Form ist die Milchsäuregärung. Was dabei herauskommt ist meist nicht nur sehr lecker sondern nebenbei auch sehr gesund für unseren Darm. Bin ich mal gezwungen, ein Antibiotikum zu nehmen, esse ich danach immer einiges an Fermentiertem, um eine ramponierte Darmflora wieder aufzubauen.

Die Grundzutat beim Fermentieren ist Salz

Es sorgt dafür, dass die Lacto- beziehungsweise Milchsäurebakterien den anderen Keimen gegenüber im Vorteil sind. Ohne Salz würde das Gemüse einfach verrotten. Das gibt dann am Ende zwar wunderbaren Kompost, aber nichts essbares. Salz kann den Milchsäurebakterien nichts anhaben, den anderen Keimen aber wohl. So breiten sich unsere kleinen Helferlein über das zu verarbeitende Gemüse aus, das man zuvor in der Regel klein geschnitten, geknetet und gestampft hat.

Das Geheimnis beim Fermentieren besteht nun darin, dass das Gemüse unter einer schützenden Lake liegt. Die entsteht entweder indem das Salz dem Gemüse Wasser entzieht, wie zum Beispiel beim Sauerkraut. Bei anderen, wie zum Beispiel eingelegten Gurken oder Karrotten, gießt man die Lake über das Gemüse. Wie viel Salz man nimmt, kann schwanken. Je mehr Salz, umso langsamer startet die Fermentierung und umso saurer schmeckt das Endprodukt – muss man mögen. Man kann es aber auch übertreiben. Irgendwann wird es nämlich selbst den Milchsäurebakterien zu salzig und sie quittieren den Dienst.

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Noch zehn Tage, dann ist das fermentierte Gemüse fertig. Und superlecker!

Am Anfang des Prozesses werkeln Mikroorganismen vor sich hin, die Sauerstoff benötigen, sogenannte aerobe Bakterien. So lange sind die Milchsäurebakterien, die Lactobazillen, in Wartestellung. Ihre Stunde schlägt, wenn der Sauerstoff aufgebraucht und die aeroben Bakterien tot sind. Die Lactobazillen machen sich dann über den im Gemüse enthaltenen Zucker her und verwandeln ihn in Milchsäure. Manche Arten produzieren nebenbei noch Alkohol, Kohlendioxid und Essigsäure.

So wird es in unserem Gärgefäß immer ärmer an Sauerstoff und immer säurehaltiger. Das killt die allermeisten der schädlichen Bakterien. Die Milchsäurebakterien allerdings fühlen sich nun so wohl, dass sie allen anderen nach und nach den Platz wegnehmen. Nun kommt das Fermentieren richtig in Gang. Bei diesem Prozess entstehen nach und nach verschiedene Geschmäcker, die mit dem Ausgangsprodukt wenig bis nichts zu tun haben, und die bei jedem Mal anders sein können. Denn besonders im Privaten verläuft keine Milchsäuregärung gleich. Nur die wenigsten von uns haben beispielsweise einen Raum in ihrer Wohnung oder ihrem Haus, in dem das ganze Jahr über die gleiche Temperatur herrscht.

Ich persönlich finde das spannend und lasse mich gerne jedes Mal von Neuem überraschen – was mit sich bringt, dass nicht immer alles superlecker wird, manches aber unfassbar fantastisch schmeckt. Wer nicht auf solche Experimente steht, der kann inzwischen im einen oder anderen Bioladen fertig fermentierte Gemüse kaufen, die jedes Mal nahezu identisch schmecken. Mache ich ehrlich gesagt auch. Denn ich liebe die Karotten mit Ingwer, die ein kleiner Hersteller aus München macht, in meinem Salat oder mal ein paar Gabeln pur.

Wie also geht dieses Fermentieren nun?

Beim Fermentieren gibt es ungezählte Versionen und Varianten. Ich beschränke mich hier auf die Grundtechnik. Die können sie mit etwas Erfahrung selbst abändern.

Diese Grundtechnik kann man im Netz oder in Büchern nachlesen, manches klingt fürchterlich kompliziert und anstrengend. Ich hatte aber das Glück, dass meine Frau und ich in unserer Küche Besuch von Victoria Lorenz. Victoria ist Anfang 30, fermentiert alles, was ihr in die Finger kommt und gibt das mit großer Freude und viel Lachen an Interessierte weiter. Und wer ihren Besuch bei uns zuhause nachhören möchte, der kann das im Internet an dieser Stelle tun.

Was das ganze Jahr über geht, sind Karotten. Die haben wir mit heimischem Ingwer verfeinert fermentiert. Im Prinzip können Sie das aber mit allem machen, was jetzt im Juni aus Freilandanbau kommt. Ist eher eine Frage des Geschmacks als der Möglichkeiten. Aber selbst wenn man kein allzu großer Freund von zum Beispiel Blumenkohl ist, lohnt sich trotzdem ein Versuch. Denn erstens schmeckt das Ferment oft sehr anders als das Ausgangsprodukt und zweitens kann man es mit allem möglichen würzen: Kräuter, Chili, Ingwer, Wacholder…nur sollten Sie dabei bei den ersten Versuchen zurückhaltend sein. Die Fermentation verstärkt die Wirkung dieser Zugaben.

Tasten Sie sich lieber vorsichtig an den gewünschten Geschmack heran.

Nun aber ab in die Küche und wir lassen uns dort von Victoria einmal das Grundrezept erklären. Das geht so: Bio-Karotten in mundgerechte Stücke schneiden, waschen und schälen kann man sich sparen – es sei denn, das Gemüse ist richtig dreckig, klar. Bio ist wichtig, sagt Victoria, denn auf gespritztem Gemüse leben nicht mehr genug Bakterien. Den Ingwer ebenfalls kleinschneiden und beides in einer Schüssel gut vermischen.

Als Gefäß für die Fermentation empfiehlt Victoria ein Bügelglas. Das spülen wir mit richtig heißem Wasser aus. Ich gieße dafür einfach sprudelnd kochendes Wasser aus dem Wasserkocher über das Glas, den Dichtungsgummi und das Gewicht – dazu gleich mehr. In das leere Glas kommt dann die Karotten-Ingwer-Mischung. Immer wieder drücke ich sie fest und übergieße sie anschließend mit einer zweiprozentigen Salzlösung. Dafür habe ich 20 Gramm reines Meersalz in einem Liter handwarmem Wasser aufgelöst. In dieser Mischung überleben nur die guten Bakterien und wir finden es lecker. Mehr Salz ginge aus Sicht der Bakterien zwar auch, sagt Victoria, aber dann schmecke es versalzen.

Damit das Gemüse immer schön unter der Salzlake bleibt, bedecke ich es mit einem Gewicht.

In einem früheren Versuch habe ich dafür einen Stein genommen, den ich abgekocht hatte. Das soll man aber auf gar keinen Fall machen, sagt Victoria. Denn Steine können sich in der Salzlake zersetzen. Nicht lecker.

Sie empfiehlt zum Beispiel den kleinen Deckel eines Weckglases, der in das Gefäß hineinpasst. Haben wir nicht, wir schauen uns in der Küche um. Da stehen noch kleine, saubere Gläser. In denen war Wurst, die wir gerne beim nahen Bauernhof holen. Die passen genau hinein. Und wenn wir sie mit der Lake befüllen, sind sie schwer genug und halten die Karotten unten.

Also Salzlake rein, Deckel zu und fertig. „Ist ein bisschen wie kochen für Doofe“, sagt Victoria und lacht. Mich erinnert es eher an Backen. Denn wenn ich einmal alles zubereitet habe, kann ich es nicht mehr beeinflussen. Deshalb koche ich auch lieber als ich backe – von Brot mal ausgenommen. Dieses alles Zusammenmischen und dann, wenn es im Ofen ist, nicht mehr eingreifen zu können, wie es beim Kochen möglich ist, behagt mir nicht so.

Zwei Wochen heißt es nun warten. Victoria verabschiedet sich mit einem Lachen und dem Hinweis, das Glas immer wieder zu entlüften. Denn bei der Fermentation entstehen Gase. Ich kenne das vom Wein machen. Während der Gärung ist in den Fässern oder Stahltanks ein sogenannter Gärstopfen. Der hat die Form eines Siffons, darin ist etwas Wasser. So kann keine Luft hinein, aber die blubbernden Gase können hinaus. Das wäre für meine Karotten auch praktisch, merke ich bald.

Und ich verstehe, warum Victoria uns empfahl, das Glas in der Küche stehen zu lassen. „Dann vergesst ihr nicht, es regelmäßig zu entlüften“, hatte sie gesagt. Und wirklich: zwei, drei Mal am Tag öffne ich den Bügel und hebe den Deckel. Jedes Mal klingt und riecht es – Entschuldigung – in der Küche nach Pups. Nach ein paar Tagen werden die Püpse schwächer.

Und nach zwei Wochen ist das fertige Ferment: einfach köstlich…