Blindverkostung am Limit

Weine nur anhand ihrer Farbe, ihres Geruchs uns Geschmacks zu erkennen, ist ein vergnügliches Ratespiel, genannt Blindverkostung.

Hendrik Thoma, Master Sommelier und Inhaber des Weinhandels Wein am Limit versuchte sich neulich gemeinsam mit der Sommelière Bärbel Ring vom Söl’ring Hof auf Sylt an drei Flaschen. Und ich durfte zuhause munter mitraten. Die Flaschen hatten nicht ihr originales Etikett – schaut einfach auf das Bild – lediglich der Korken des Weißweins war etwas verräterisch, aber dazu später.

Blindverkostung, Wein am Limit, Hendrik Thoma. Bärbel Ring Sylt Söl'ring Hof
Raumland! Mann, da hätte ich drauf kommen können…

Als erstes kommt bei der Blindverkostung ein Schaumwein ins Glas. Richtig guter Schaumwein. Aber was ist er wohl? Sekt? Champagner? Crémant? Cava? Franciacorta? Meine erste Assoziation zuhause ist Champagner – aber irgendwie auch nicht…

Auf dem Schirm spricht als erstes Hendrik. Er glaubt, der Wein sei frisch degorgiert, dabei wirke aber nicht jugendlich. Die Perlage sei fein, was für eine lange Lagerung auf der Flasche spreche. Von der Farbe her vermutet er reiferes Lesegut, er sieht gelbe und grüne Reflexe und glaubt deshalb an einen gewissen Anteil an Reserveweinen. „Aber sich über die Farbe ein Urteil zu machen, ist wie in vielen Fällen im Leben total blöd“, sagt er.

Bärbel Ring ergänzt Stichworte wie Hefenoten, biologischer Säureabbau, kleines Holz – „Stahl wäre blumiger“, sagt sie.

Hendrik meldet sich wieder mit der Vermutung, der Wein sei so lange nicht auf der Hefe gewesen. Er rieche zwar Noten von Brot, Sauerteig aber nicht geröstet.

Es wird herrlich nerdig, so machteine Blindverkostung Spaß! Und ich habe die ganze Zeit das Gefühl, diesen Wein schon mal getrunken zu haben…und als die Winzerin zugeschaltet wird, weiß ich auch warum. Es ist ein Sekt von Raumland, den ich tatsächlich schon mal probiert hatte.

Warum ich außerdem darauf hätte kommen können? Niemand in Deutschland – außer vielleicht Niko Brandner von Griesel & Compagnie – macht hierzulande solch grandiose Sekte, die total an Champagner erinnern es aber gleichzeitig eindeutig nicht sind.

Weiter geht es mit einem Weißwein.

Blindverkostung, Wein am Limit, Hendrik Thoma. Bärbel Ring Sylt Söl'ring Hof
Chenin Blanc von der Loire…so was aber auch!

Hier verrät der Korken mit seiner französischen Aufschrift leider die Herkunft…aber Bärbel und Hendrik sehen den nicht und deshalb beginnt wieder ein munteres Fachsimpeln. Mir gefällt der Satz von Hendrik „die Exotik legt sich mega drunter unter das Holz…“ Als Bärbel etwas aus dem Burgund vermutet, bin ich kurz raus – Kinder ins Bett bringen.

Als ich zurück komme, ist Hendrik bei der Rebsorte Aligoté angekommen, Bärbel biegt an die Loire ab und vermutet einen Chenin Blanc. Mit beiden Rebsorten kenne ich mich nur mäßig aus, deshalb schließe ich mich einfach der Meinung eines Mitverkosters aus dem Chat an: „Der Wein ist geil!“ Richtig.

Die Auflösung zeigt: Bärbel liegt komplett richtig. Wir haben den Coulée de Saint Cyr von Arnaud Lambert im Glas. Chenin Blanc von der Loire.

Jetzt wird’s rot…

Ich rieche und probiere – und bin sofort raus, das kommt bei einer Blindverkostung immer wieder vor. Großartiger Wein, aber ich habe null Ahnung, was das sein könnte. Das Publikum schießt sich zu großen Teilen auf Pinot Noir ein, ich habe nach wie vor keinen Plan. Aber das geht es nicht nur mir so. Zwischen Hendrik und Bärbel entspinnt sich in etwa folgender Dialog:

H: Ich robbe mich gerade an den Fuß der Alpen heran…
B: Also ich hänge in Nordspanien fest…
H: Puuhh, bei uns hat gerade der Hund gepupst, das stinkt!
B: Für Portugal ist das zu leicht. Höchstens eine kühle Region oder ein kühles Jahr.
H: Also die Frische und die Gerbstoffe finde ich absolut faszinierend. Ich bin in Spanien oder Italien. Nein, ich gehe ins Piemont. Barbaresco vielleicht…

Blindverkostung, Wein am Limit, Hendrik Thoma. Bärbel Ring Sylt Söl'ring Hof
Deutscher Pimot Noir. Mich haut’s aus den Socken.

Ich muss nochmal eine kurze Pause machen und die Hühner in den Stall bringen. Die echten, nicht die Kinder, die schlafen inzwischen. Als ich zurückkomme, wird die letzte Blindbverkostung gerade aufgelöst. Der Winzer meldet sich auf Englisch – was alle komplett in die Irre führt. Denn es ist Stephan Attmann vom Pfälzer Weingut Von Winning und der Wein sein Pinot Noir I aus dem Jahr 2015…Mir geht es wie Hendrik: da wäre ich nie darauf gekommen!

Aber darum geht es bei einer Blindverkostung ja auch nicht. Ich hatte jede Menge Spaß und habe einiges gelernt. Beim nächsten Mal bin ich gerne wieder mit von der Partie.